Die Geschichte der Bonner Ausstellung 1947
 
Die Geschichte der Bonner Ausstellung 1947:
 
In Bonn und in Köln versammelte sich ab 1946/47 so ziemlich alles, was in der sich nun formenden neuen Administration Nachkriegsdeutschlands mitreden oder mitkassieren wollte. Die Leute, die Verbindung zu den Militärbehörden hatten und an der Geburt der neuen Nation (und der möglichst leisen Beerdigung der alten...) mitwirkten, lebten wie im Frieden: es fehlte ihnen an nichts, während um sie herum die Leute verhungerten, erfroren oder an kleinsten Infektionen elendig verreckten. Eigentlich war alles wie immer.
 
Auf diese Szene wurde der charmante, junge und erstklassig hochstapelnde Gorringer von Osgood Preiser angesetzt. Es dauerte nur wenige Wochen und Gorringer war, auch wegen seiner unbegrenzt erscheinenden Mittel, ein gern gesehener Gast auf den Soirées, Empfängen und Veranstaltungen der Kulturszene. Mit Geldern (und bürokratischer Schützenhilfe) der JCCE half Gorringer wo er nur konnte, um Kunstausstellungen (Bonner Bürgerhaus), Theaterproduktionen (Stadttheater), Filmvorführungen, etc. möglich zu machen.
 
Die Ausstellung der Somnatisten in Bonn kam allerdings durch einen Streit zustande: Gorringer geriet bei einer Hausmusik in der Wohnung des Staatsrates Brockmann (einem einflussreichen Mitglied in-spe der nordrhein-westfälischen Landesregierung) mit einem gewissen Grafen von Speck aneinander, der sich seit einiger Zeit in der Szene als Mäzenat aufspielte und in seinem Jagdschlößchen im Siebengebirge Ausstellungen junger Künstler veranstaltete. Gorringer warf dem Grafen vor, Künstler zu bevorzugen, die bereits im Dritten Reich mit der Attitüde des vom weltlichen Treiben unberührten Genies „irgendwelche Reiterstandbilder zusammengehauen“ hätten. Gorringer titulierte die vom Grafen ausgestellten Arbeiten als schlechte Kunst und kündigte im Gegenzug eine Ausstellung mit „guter Kunst“ unter der Ägide der JCCE an. Nach dieser von allen Anwesenden wohlvernommenen Ankündigung liess sich der sturztrunkene Gorringer von der mit ihm befreundeten Galeristin Walpurga Hauschild aus dem Raum führen.
 
Gorringer wurde auf diesen Vorfall immer wieder angesprochen und damit aufgezogen. Schliesslich liess er sich, wohl aus Trotz, dazu hinreissen, die Ankündigung seiner Ausstellung zu wiederholen und deren Durchführung offiziell zu machen. Jetzt hatte er nur noch das Problem, dass er für seine Ausstellung Kunst brauchte. Gute Kunst. Was ist gute Kunst? Zunächsteinmal irgendetwas, was nicht gerade alle anderen machen. Gorringer fiel sein seltsamer Fronturlaub 1944 in Zürich ein und die Begegnung mit Latours, Bamsell, Weinstein und Moren in deren seltsamer Künstlerkommune, in der er für einige opiumumnebelte Tage Gast war.
 
    Im Winter 1946/47 fuhr Wyllie Gorringer nach Zürich, um Latours et al. zu einer                    
    Ausstellung zu übereden. Der Ausstellungsort, das Gärtnerhaus der Bonner (Bad
    Godesberger) Redoute, war schnell gefunden: Die Franzosen hatten das Haus als    
    Offizierskasino benutzt und in einem erbärmlichen Zustand zurückgelassen, so dass    
    sich im Augenblick niemand für den Bau interessierte. Dort fand im Frühsommer 1947    
    die erste und einzige „offizielle“ Ausstellung der Somnatisten statt.  
 
 
    (Text und Recherche: Bureau Archipel)
 
 
 
    Rezensionstext der Ausstellungseröffnung „Die Somnatisten“ im Gärtnerhaus der    
    Bonner Redoute vom 25. Juli 1947 in der Westdeutschen Rundschau.
 
    „Die Somnatisten. Ein wirrer Traum.
 
    Wir schätzen uns glücklich, in diesen Zeiten „entartete“ und „befreite“, eben    
    sogenannte „moderne“ Kunst wieder sehen zu dürfen. Ausstellungen diesen Sommer    
    in Krefeld und im diesen Monat wiedereröffneten Düsseldorfer Kunstmuseum, sowie
    im letzten Jahr schon die mit großem Improvisationsgeist ermöglichte Ausstellung    
    von Werken aus dem zerstörten Städtischen Museum Mönchengladbach gar in einer
    Privatwohnung. Der Beispiele sind viele wie sich der Hunger nach Kunst und
    Kultur nach den dürren Jahren, die hinter uns liegen, wieder bahn bricht. Die
    Militärregierung läßt den allgemeinen Bemühungen der Kunst nach dem großen    
    Wertmesser der zwölfjährigen Pause wieder ihren Platz in unserer Gesellschaft    
    zuzuweisen, große Unterstützung zuteil werden.
    Das jedoch, was am vorvergangenen Abend im Gärtnerhaus der Bonner Redoute    
    gezeigt und veranstaltet wurde, erntete meistenteils nur Kopfschütteln und    
    Unverständnis. Die gezeigten Gemälde, Photographien, Arrangements und Dokumente,
    begleitet von einem wirren Vortrag, waren nicht dazu angetan, die Anwesenden von    
    der Ernsthaftigkeit der Gäste - einer schweizer Künstlergruppe, die sich selbst
    „Somnatisten“ nennt - zu überzeugen. Vollends in Unverständliche glitt der Abend    
    ab, als sich zwei der „Künstler“ anschickten, vor der Terrasse des Gärtnerhauses
    eine Grube auszuheben, welche sie als ein „negatives Reiterstandbild“
    deklarierten. Ob solcher Scherze fühlte man sich an die Narreteien des Dada    
    erinnert. Unangenehm erinnert. Ernsthafte Auseinandersetzung mit der Kunst und    
    ein sorgfältiges und verantwortunsgvolles künstlerisches Schaffen sieht anders
    aus. Wer kein Werk hat, soll es auch nicht ausstellen wollen. Wir erkennen hier
    stärker noch als ehedem, die Orientierungslosigkeit junger Künstler nach Jahren
    furchtbarer Leere und gleichzeitig grauenvoller Beanspruchung. Mögen sie in
    Zukunft den nötigen Ernst finden.“  
 
    (Archiv Bureau Archipel)
 
    
 
 
    Wortlaut einer Verlautbarung über und Genehmigung einer KUNSTAUSSTELLUNG durch            
    die Britische Besatzungsbehörde, Bad Oyenhausen, 1.7.1947:
 
    Kunstausstellung der Künstlergruppe „Die Somnatisten“ Werke und Vorträge einer    
    Züricher Künstlergruppe. Eröffnung der Ausstellung am 23.Juli 1947. Die Vorträge
    beginnen um 19 Uhr. Gärtnerhaus der Redoute, Bonn Bad Godesberg an der
    Kurfürstenallee. Eintritt für jedermann! Veranstalter: Joint Committee for
    Cultural Advancement in the Occupied Zones. Genehmigungsnr. der brit.
    Militärregierung: W-BG1285-1947/7, Sir Brian Robertson, Cmdr.
 
    (Transkribiert aus einer Kladde von Wyllie E. Gorringer.)